Ehrlich, ich brauche keine charakterbildenden Winke des Schicksals mehr, ich bin gut bedient mit den jetzigen alltäglichen Aufgaben meines Lebens. Dadurch sind mir jedoch auch einige Dinge aufgefallen, die es vielleicht wert sind einmal ausführlich niederzulegen. Die erste Neuerung, ich höre während des Schreibens eine Klaviersonate von Debussy, da mich sämtliche andere Hintergrundmusik nur ablenkt, das ist wohl der erste Schritt zum endgültigen Erwachsenwerden. Die nächste richtige Lehre des Monats war die Einsicht, dass ich ein großes Problem damit habe ein Ende zu finden, zu beenden und darüber hinaus loszulassen. Es ist mir immer wieder bewusst geworden, wie ungesund ich mich an gewisse Dinge klammere, bloß weil sie mir beispielsweise durch eine negative Zeit geholfen haben, ich gute Erinnerungen daran knüpfe oder simpel, weil ich nie einen Ersatz finden konnte. Ich lebe ein wenig zu stark nach dem Vorsatz, dass alles, was ich mag oder wozu ich eine Bindung aufbaute, rational gerechtfertigt sein muss und sich damit nicht mehr so leicht widerlegen lässt. Warum hatte ich dies und jenes getan oder gemocht? Genau, es gab stets Gründe, die mich veranlasst haben und die ich sonst als nichtig anerkennen müsste. Es fällt mir also meistens schwer mich selbst davon zu überzeugen, vielleicht doch nicht immer richtig gelegen zu haben, obwohl es selbstverständlich total okay ist ein Urteil zu überdenken, das ist mir klar.
Sonntag, 30. Juni 2024
Ein Monat, viele Lektionen
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I dont even think about leaving sometimes
I dont even think about leaving you
Never thought about going anywhere
I dont even see the road.
Um mit etwas Positivem zu starten, es ist wirklich fast schon ein bisschen goldig, dass ich meine Welt in Animal Crossing nach 2006 nie verändert habe, meine Nintendogs nicht verkaufen wollte oder in Sims nur einen einzigen Stammbaum jemals weiterspielte. Tief im Inneren bin ich ein wohlwollender Mensch, der sehr an dem hängt, was ihn glücklich macht oder dies in der Vergangenheit tat. Ich denke ebenfalls viel an Personen von früher, ob Freunde, Bekannte oder auch nur einmal irgendwann Getroffene, während ich in vollster Überzeugung davon ausgehen, dass sie keinen Gedanken und schon gar keine Empfindung mehr an mich verschwenden. Für mich sind Begegnungen, sofern sie sich eingeprägt haben, ein Teil von mir und meinem bisherigen Weg, der mich ansonsten nicht dorthin geführt hätte, wo ich heute bin. Es mag nach Aberglaube klingen, doch ich wehre mich gegen die Einsicht, dass ich diesen und jenen Umweg im Leben hätte vermeiden müssen. Aber das beiseite, wir wissen wie es um meine Loyalität bestellt ist. Auf einer rationalen Ebene kann ich das meiste richtig verordnen und kenne auch meine persönlichen Grenzen, doch ständig wieder merke ich, wie ich besonders im Umgang mit Menschen die Reißleine nicht oder viel zu spät ziehe. Der Glaube an das Gute, das Vorherbestimmte, "die Prüfung zu meistern" überwiegt oft dem eigentlich sinnvollen Schlussstrich. Das liegt bestimmt in meiner Vergangenheit begründet; wenig Kontakte, viel Hyperfixierung, hohe Anforderungen an mich selbst keine Fehler zu machen, blabla, vieles mitgemacht haben und jetzt mache ich eben vieles mit.
Was uns zum nächsten Punkt führt; eventuell die sozialen Experimente sein lassen, denn sie gehen nicht durchweg gut aus, wenn auch meist erwartungsgemäß. Theoretisch schließe ich mich an den vergangenen Absatz an, anderen unendlich viele Chancen geben obwohl das Resultat schon verheißungsvoll schlecht prognostiziert werden kann, ist schlichtweg dumm. Ich habe gelernt, dass sich manches nie ändern wird, vollkommen egal wie sehr man es sich wünscht positiv überrascht zu werden. Zur Zeit kämpfe ich mit dem Beenden einiger beiläufiger Freundschaften, die sich nicht dauerhaft festigen konnten, obwohl ich dafür etliche Anläufe genommen und meine Bereitschaft zu einem näheren Kontakt signalisiert habe. Jedoch gab es Knackpunkte, in diesem Fall spezielle Situationen, die mir recht deutlich gezeigt haben, dass für mich der Versuch gescheitert ist. Statt eine wirklich klare Linie zu fahren, gehe ich auf eine emotionale Distanz und hoffe, betreffende Leute werden von selbst darauf kommen warum. Das Problem ist, ich gebe niemanden gerne auf, ich bin im Grund das komplette Gegenteil, ich habe was sowas angeht unmenschliche Geduld und Ausdauer, lasse mich nicht einfach von einer positiv geneigten Gesinnung abbringen. Die Wertschätzung am Ende verrät mir aber, dass es für gewöhnlich das nicht wert ist – immer alles mitzutragen und mich gewissermaßen hinten anzustellen – weil ich innerlich mit entsprechender Erwiderung schon abgeschlossen habe. Scheinbar verlange ich auch ehrlich nicht viel.
Eine erschreckende Feststellung ist, dass ich höchstwahrscheinlich doch Gefühle besitze und diese sogar für Dritte entwickeln kann. Es war tatsächlich eine berechtigte Sorge, dass mich das Leben zu gewissen Teilen zu einer bitteren Person gemacht hat, die oftmals als Reaktion auf etwas die Kälte und Einsamkeit gesucht hat. Über die letzten Monate konnte ich mir jedoch beweisen, dass ich gewisse Tiefen meines Charakters bloß zum Selbstschutz unangetastet lasse, was nicht heißt, dass nicht irgendwo ein emotionaler Kern in mir schlummert. Ich habe die Größe zu jemandem nett und freundlich zu sein, der es nicht verdient hat, mich bemüht zu geben, fürsorglich zu sein und vulnerable Aussagen zu treffen, ohne sicherheitsbedingte Revidierung im Nachhinein. Das gehört auch zu mir, nur das Loslassen muss noch geübt werden. Besonders, wenn ich mich stets verletzlich und gutmütig zeigen konnte, verstehe ich nicht, wie ich einen Schritt zurück machen soll. Ich wünschte andere Menschen wären innerlich alle gleich gestrickt und jeder hätte eine pure herzliche Essenz, an die man lediglich mit Zeit und Wohlwollen herankommen müsste. Ein bisschen glaube ich noch daran, zumindest dass jeder lieber sanft wäre als unterkühlt und voll Bitterkeit, denn wenn ich beide Zustände vergleiche, würde meine Entscheidung immer dieselbe sein, obwohl man sich eben manchmal dafür etwas belügen muss. Wenn das Ende doch absehbar ist und der Ausgang nicht veränderlich, lohnt es sich demnach nicht viel mehr mit einer positiven Haltung den gesamten Prozess absolviert zu haben? Zum ersten Mal sage ich das, aber das eigene Misstrauen und die Abwehr aufzugeben ist ein risikoreicher Schritt, der einen im Umkehrschluss allerdings viel glücklicher machen kann.
Und zu guter Letzt will ich gerne mitteilen, dass ich vielmals beobachtet habe, wie großzügig das Leben auch Chancen zurückgibt, scheinbar als Entschädigung dafür auch mal Fehler zu machen. Nicht ausschließlich ich selbst empfinde mehr Lockerheit gegenüber misslichen Entscheidungen oder dem Verhalten meines Gegenübers, ich sehe immer wieder, dass sich Türen öffnen, wenn man an Dingen dranbleibt statt aufzugeben, wenn man etwas sehr stark will und sich seine Hoffnungen nicht nehmen lässt. Was für mich "das Ende der Welt bedeutet hat", muss für jemand, der nicht ich bin, nicht mal eine Bedeutung haben, genauso das, was mir groß und unüberwindbar erscheint, empfindet der nächste als geringstes Übel, auch wenn es mir schleierhaft vorkommt. Und, was lernen wir jetzt daraus? Ich muss mehr eine Balance finden zwischen a) ein Mensch zu sein, der sich keine Vorwürfe (besonders im Bezug auf andere) machen möchte und b) notwendige Konsequenzen zu ziehen, die nicht bedeuten müssen, dass einfach bloß alles endet, an was ich geglaubt habe, sondern sich immer wieder neue Möglichkeiten auch für mich auftun werden, die es lohnt mit der selben Energie zu ergründen.