Letztens stand ich an der Ampel und im Auto lief, wie immer, Musik von meinem Handy. Nichts besonderes neues, irgendeine meiner Playlists, die ich nach Stimmung und Laune erstellt habe. Dabei kam mir die Idee zu einem neuen Post, leider hatte ich zwei langwierige Abgaben für die Uni zu erledigen, weshalb ich das kreative Schreiben erstmal hinter anstellen musste. (Zwei Minuten nach Erledigung bin ich also wieder hier.) Egal, versuchen wir's auf ein Neues. Ich bin niemand, der dauerhaft mit Kopfhörern durchs Leben geht, das deckt sich momentan nicht mit meinen Verpflichtungen, als ich noch zur Schule ging oder in die Uni sah das etwas anders aus. Da habe ich aber auch versucht dem Kontakt mit Mitmenschen aus dem Weg zu gehen, meistens ist das ziemlich gut gelungen. Halten wir also fest, wenn ich mich von A nach B bewege begleitet mich Musik. Wer mich etwas besser kennt weiß auch, dass ich schon auf etlichen Konzerten war, sogar Festivals besuche ich leidenschaftlich gerne und habe mir mein nächstes für die Zeit nach Corona bereits geplant. Trotzdem bin ich kein übermäßiger Fanatiker, der daheim sitzt und ein Album nach dem anderen laufen lässt. Ja, auch für das selber Musik-Machen interessiere ich mich leider wenig, dabei konnte ich als Kind wunderbar Klavier spielen unter Zwang. In vielen Momenten denke ich aber an Lieder und verbinde sehr viele Erinnerungen mit ihnen, sie kommen mir in den Sinn und schon öffnet sich eine kleine Tür in meinem Herzen oder Gedächtnis und ein Gefühl springt heraus und sagt hallo. Irgendwie kann ich mich der Wirkung von Musikstücken also nicht ganz entziehen.
Wenn ich an meine frühe Teenagerzeit denke, dann natürlich an den Schulweg und die Busfahrten, die ich gern missmutig und allein verbracht habe (oder mit Freunden, die auch das Zuspätkommen bevorzugt haben). Damals war ich im tiefsten Herzen eine Emo, habe nach außen null danach ausgesehen und es doch irgendwie gelebt. Billige Bandshirts auf Amazon hatte ich mir zu diesem Anlass gekauft, die meisten haben überhaupt nicht gepasst (nein, kein lässiger Oversize-Look) und ich hörte am liebsten Billy Talent, Rise Against, My Chemical Romance oder A Day To Remember. Mein Herz schlug aber ganz rebellisch natürlich auch ein bisschen für Punk, das "Punk is not dead!"- Plakat hängt nebenbei bemerkt immer noch in meinem ehemaligen Kinderzimmer. Musik, die alles in allem in der Gesamtheit keineswegs düster ist, anders als meine ersten Zugänge in YouTube. Da liefen dann die mir peinlichen Tracks, zu denen man vorm PC weinen konnte über die zukünftige Liebesbeziehung. Ich erinnere mich zu gut an mein iPad1, auf dem ich besagte Stücke dann sogar gekauft hatte und heimlich in der Badewanne anspielte. Auch damals verbrachte ich viel Zeit mit dem Schreiben von Texten und sogar Blogeinträgen, traurig aber wahr, im Hintergrund war stets ein Tab geöffnet der "In the end" oder "Numb" auf Dauerschleifte offen hatte – sehr prägend.
Ein paar Jahre und Konzerte später wandelte sich mein Geschmack ein wenig, zwar kam ich nicht weg von dem schlechtaussehenden Merchandise und dem Geheule wegen irgendwelcher Soft-Rock-Balladen, aber wenigstens hatte ich ein paar Gründe dazu. In der Phase lernte ich eine Menge neuer Leute kennen, einige teilten meine Präferenzen in Alternative Rock, der Großteil hörte schlicht und einfach Metal jeglicher Art. Erst haben mich diese doch härteren Klänge sehr stark abgeschreckt, vor allem "Geschrei" konnte ich gar nicht ab und fehlende Melodik war mir ein Dorn im Auge. Nichtsdestotrotz fand ich einige eingängige Lieder, die mir gefielen und es kamen Bands hinzu, die ich von da an für cool erachtete, zum Beispiel Bullet For My Valentine, Slipknot und Korn. Gleichermaßen fuhr ich eine Schiene, die bis heute niemand so richtig begreifen mag, nämlich Deutschrock. Rammstein mochte ich zu dem Zeitpunkt eh schon eine ganze Weile, eine Obsession mit den bösen Onkelz folgte. (Sie hat nie aufgehört...) Ich beschäftigte mich zusätzlich mit einigen Themen abseits der Norm und erklärte Industrial zu einer meiner neuen Richtungen. Dazu gestehe ich, hatte mir die Musik, wie von KMFDM, erstmal überhaupt nicht gefallen, doch irgendwie gewöhnt man sich einfach daran. Genauso an Screamo-Parts, denn als waschechter Emo im Geiste konnte ich mich auch davon nicht lossagen. Schräge, langhaarige Typen mit schwarzgefärbten Haaren waren mir zugezogen sympathisch.
Ich bin gerade echt durchgängig am Grinsen, während ich das tippe, aber jetzt kommt ein dunkler Abschnitt: Indie-Rock... die vollste Schuld spreche ich dem ständigen Herumhängen auf Tumblr zu. Es war einfach Gang und Gebe Zitate von Arctic Monkeys, Radiohead oder The Front Bottoms überall als Status zu nehmen. Manchmal, aber nur manchmal bin ich mir im Klaren darüber, dass "Somewhere only we know" zu hören mich nicht geheimnisvoll und künstlerisch veranlagt wirken gelassen hat, auch keinen ästhetischer innerlicher Schmerz hatte es so richtig spiegeln können. Allerdings sehe ich mich in heller Vision im Dunkeln durch die Waldstrecken nahe Alzenau fahren, "Stop crying your heart out" laut aufgedreht. Generell glaube ich meine rührseligsten Momente waren allesamt innerhalb des Autos, höchstwahrscheinlich weil das immer in meinem Leben ein Berührungspunkt mit Musik war. Klar, mittlerweile sitze ich da alleine drin und keiner verurteilt mich, wenn ich irgendwelchen Trash mitsinge. Doch ich habe ähnlich lebhaft in Erinnerung, als mein Cousin sein erstes Auto bekommen hat und weiß, dass ich die Band "The Rasmus" wohl für immer damit in Verbindung bringen werde.
Letzter Punkt, die aktuelle Lage. Ich denke mich gern zurück in Zeiten und Situationen, egal ob diese negative oder positive Sehnsucht in mir auslösen, alles verstärkt sich durch die Musik. Querbeet höre ich die unterschiedlichen Genres, die ich aufgezählt habe, momentan sitze ich mit einem nicht-passenden Nine Inch Nails Pulli im Bett, manches ändert sich wohl nie. Dass ich Industrial treu geblieben bin wundert mich, dass Anti-Flag einer der besten Aufritte war, auch. Ich hätte vieles nicht erlebt, hätte ich nicht ständig etwas Neues für mich entdeckt. Das meiste von damals hat sich als echter Evergreen erwiesen, andere Sachen sind untergegangen oder wurden nachträglich für doch nicht "sooo gut" befunden. Möglicherweise leitet mich Musik doch bedeutend mehr durchs Leben und es bedurfte erstmal einem Blogeintrag, um das herauszufinden. Mich, als selbsterklärter Mensch, der "nicht viel" Musik hört und doch mit jedem Ton irgendwas spürt.