♥-lich willkommen auf meinem Blog. Wenn ich mich kurz vorstellen darf, ich heiße Lena und komme aus Hessen. Ich hoffe euch gefallen meine Posts.

Donnerstag, 14. November 2019

Die Religion des Alltags

Manchmal denken wir die Welt stünde uns offen und wir sind frei, jeder täte, was er gerade eben am liebsten tun würde. Dabei frage ich mich schon länger, ob wir alleinig Bestimmender sind, oder ob wir unser Leben doch innerhalb einer gewissen Grammatik führen. Eigentlich halte ich mich für kaum bis gar nicht religiös, was sicher den meisten hier ähnlich geht...allerdings habe ich mich ausreichend mit Theologie befasst, um einen Gedanken zulassen zu können, den beispielsweise Walter Benjamin auch um 1900 schon hatte. In seinem Fragment erläutert er warum der Kapitalismus (zumindest vom Konzept her) eine Religion ist, wofür er verschiedenste Argumente anbringt. Als das Wichtigste stellt er den Kultcharakter heraus, welcher jenen charakterisiert und der keine explizite Dogmatik aufweist (was mittlerweile kritisch zu beurteilen ist). Behalten wir diesen Punkt im Hinterkopf und richten unsere Überlegung zurück auf den Alltag. Nehmen wir an, jeder von uns erhalte die Aufgabe ein Tagebuch zu schreiben und alle Handlungen genau zu dokumentieren. Eines wäre sicher, so vielfältig die notierten Aktivitäten auch sein mögen, ein Großteil geht auf Riten und Traditionen zurück. 
Fragen wir uns nun, welche Leistung gläubige Anhänger von ihrer Religion erwarten. Sie ist eine Hinwendungsmöglichkeit bei Sorgen und Problemen, soll Halt geben in schweren Zeiten und Sicherheit für die Zukunft. Ein möglichst gottnahes irdisches Leben bildet die Grundlage für ein erfülltes in der Ewigkeit im Himmel. 
Schauen wir jetzt wieder auf uns selbst und unsere Angewohnheiten  was stellen wir fest? Wir sind vollster Überzeugung, etwas im eigenen Sinn zu tun, wenn wir.... sparen, für eine Wohnung Geld beiseite legen, Aktien kaufen... und verzichten; auf Fleisch verzichten und bloß ein umweltfreundliches Auto fahren oder gar keins. Im Verzicht übt man sich gerne und besten Gewissens. Darüber hinaus beschränken wir uns gerne, auf eine gewisse Menge an tragbarer Kleidung, Besitztümer im allgemeinen. Es gibt zu denken, wofür wir eine tägliche automatisierte kosmetische Routine durchführen und wie das alles mit Gott oder besser einem fehlenden Gott zusammenhängt. 
Fakt ist, ein unsichtbarer Leitfaden beeinflusst uns und wir verfolgen eine kultartige Auffassung, wie wir das eigene Leben auszurichten haben ohne die verborgenen Ziele (Kräfte?) dahinter zu durchschauen. Wir sparen für Sicherheit und Rückhalt in einer Notsituation, investieren in ein besseres Leben mit der Familie, versuchen mit unseren Nächsten und der Natur im Einklang zu sein. Aufgrund eines moralischen Verständnisses augenscheinlich, dabei schlagen wir nur seltenst den bestmöglich ökonomischen Weg ein. Wir gehen auf einen Flohmarkt und verkaufen überflüssige Dinge, statt sie anzuhäufen, denn es fühlt sich nicht richtig an den zehnten gleichartigen Gegenstand zu besitzen, wenn wir nur einen der Art wirklich benötigen. Bewusst oder unbewusst  wir folgen dem Mönchsprinzip der hundert Habseligkeiten. Die Ethik hinter unseren Handlungen ist dominant, danach kommt erst die gesetzliche Maßregelung. Und das ohne ein konkretes Ziel, etwas oder jemanden, der für ein gutes Leben dankt? Was den Menschen oft fehlt und wovon man viel zu oft glaubt, man verfüge über sie permanent, ist Rationalität. Wie rational agieren wir wirklich und wie oft lassen wir uns anderweitig leiten? Und ist dieses andersartige Leiten-lassen nicht der Eintritt in einen Raum des Kultes und der Theologie? Oder ist es wirklich unsere Selbstbestimmung, durch die wir aktiv werden und wenn ja, wieso sind uns die weitläufigen Nutzen dann weiterhin verdunkelt? Sind wir tatsächlich gänzlich losgelöst von allem göttlichen Bezug? Wenn ich ehrlich bin, möchte ich das nicht von mir behaupten. Es gibt Gebote und von ihnen abgeleitete Richtlinien, die uns sehr präsent sind (z.B. im Umgang mit Mitmenschen, Umwelt) und wieder andere, versteckte Riten, denen wir einfach das gesamte Leben nachgehen, ohne die Notwendigkeit zu empfinden, diese nachzuprüfen, im Gegenteil (der Umgang mit uns selbst, z.B. Hygiene bis zum Umgehen von Sünde).  Das soll einzig unser bloße Wille sein, der sich nicht immer mit rationalen Vorstellungen deckt, ihnen sogar oft widerstrebt und den eigenen Vorteil vernachlässigt. Oder besteht in uns Menschen die heimliche unsichtbare Verehrung und Erhaltung eines uralten religiösen Konzepts, das sich zwar nie bestätigt hat, aber auch nie entkräftet wurde?