Manchmal vergesse ich, dass dieser Blog dazu dient mein Leben und meine Erfahrungen abzubilden, nicht einfach ein einziger Poetry-Slam ist. Hatte ich euch mal gesagt, wie abstoßend ich jene finde? Mit den halb-gereimten, aus der Luft gegriffenen Zusammenhangslosigkeiten, bei denen jeder zweite Satz erneut mit "Ich" eingeleitet ist? Vieles – und dabei spiele ich möglicherweise auf eine bekannte Vertreterin dieses Genres an – klingt nur noch nach einer schlecht übersetzen Liebesballade oder einer Aneinanderreihung von Tumblr-Zitaten. Man ist schnell voreilig geneigt zu behaupten, dass man dies auch könne und wenn ich ehrlich sein darf, bin ich wirklich überzeugt davon. Persönlich erteile ich aber den Paar-Reimen eine Absage und bringe weiter eine für mich stimmige thematische Auseinandersetzung zu Papier. Wobei sich diese zwar für jedermann nachvollziehen lass soll, es mir aber nicht als sinnvoll erscheint im Einzelnen krampfhaft die gleiche Emotion erzeugen zu wollen. Allerdings fände ich es selbstverständlich unermesslich interessant, eure Einstellung gegenüber meinen Texten zu kennen, wie ihr dabei empfindet und auch annehmt, wie ich empfunden haben könnte. Gar nicht so einfach, ohne die Person vor sich zu haben, nicht wahr? Trotzdem glaube ich, dass dies gerne ein schönes Geheimnis sein darf, welches du mit meinen Worten teilst, ohne dass wir beide alles darüber wüssten.
Es sind noch immer Semesterferien, der Zeiger der Uhr dreht sich mit behäbigen Schritten während ich seit längerem etwas zu finden versuche, das mich von seinem gleichmäßigen Ticken ablenkt. An Tagen wie heute merke ich, wie antisozial mein Leben geworden ist und in welchem Ausmaße sich in mir die mangelnde Bereitschaft entwickelt hat, dies zu ändern. Schaue ich auf jegliche Periode meiner Vergangenheit zurück, bemerke ich, dass es oft so gewesen ist. Natürlich war ich regelmäßig mit anderen Menschen seit dem Kindergarten konfrontiert, konnte ich es mir aussuchen, wählte ich lieber die Option für mich zu bleiben. Weder suchte ich je freundschaftliche Zuwendung, noch Bestätigung oder gar Aufmerksamkeit. Selbst auf Social-Media ist es nichts anderes, eigentlich lebe ich mich bloß selbst aus und "Follower" können mir dabei zusehen. Jedoch bin ich nie einsam, nie die Person, die nach einem Streit wieder zurück kommt oder Jahre später den Telefonhörer in die Hand nimmt. Ich würde niemals das Verzeihen bevorzugen, sei es schlicht um des Friedens Willen... etwas vorspielen, um einen Gefallen zu tun oder meine Meinung für mich behalten, damit ich keine Gefühle verletze. Mag sein, dass ich mit meiner "Unverzeihlichkeit" des Öfteren auf allgemeines Unverständnis gestoßen bin, genauso häufig hat sie mich vorm Ausgenutzt-Werden und sich wiederholenden Enttäuschungen bewahrt, mir daher stets geholfen, die richtigen Menschen für mich herauszufiltern. Wo sind diese jetzt? Nicht mehr fünf Tage einer Woche im Klassenraum an meiner Seite, auch nicht gerade nebenan oder alle zusammen auf dem nächst anstehenden Kindergeburtstag. Sondern in Deutschland und teilweise gar auf anderen Kontinenten verstreut, wahrscheinlich langsam das Interesse verlierend. Dann fühle ich mich wieder wie drei Jahre alt, in einer Ecke allein spielend, tausend Leute um mich herum, in meiner Nähe, die nur zusehen, nicht mitmachen. Vielleicht ist das Leben einfach so, man hat sich selbst und alles um einen dreht sich, verschiebt sich, setzt sich anschließend neu zusammen. Manchmal bloß für ein kleines, fast nicht erkennbares Stück, jedoch spätestens, wenn man die 360 Grad vollzogen hat, ist da plötzlich wieder der Ausgangspunkt. Sicher dauert der Vorgang unterschiedlich lange, geschieht in verschiedenen Stufen und Härtegraden, aber ich bin mir mittlerweile sicher, dass er unaufhaltsam passiert.
18 Uhr an einem Montagabend. Die Sonne steht tiefer, als sie es noch vor wenigen Wochen tat, ich sehe aus meinem Küchenfenster hinaus auf die Straße. Bin ich mir gerade über den Zustand bewusst geworden, in dem ich seit über einem Jahr schon stecke? Ich blinzle der Abenddämmerung entgegen, spüre ein Gefühl von Zufriedenheit, dem der traurig klingende Anfang meines Textes weichen muss. Schätze mich glücklich darüber, wie sich der Blog entwickelt hat, von einfachen Stories über dies und jenes, entgleitet er mir in einem Moment immer wieder in ein tiefes In-Mich-Gehen. Sobald ich fertig bin, trete ich einfach automatisch wieder aus mir heraus. Es ist nur ein kleines Stück Seele, das ich weitergebe, bevor ich es verliere im großen Mosaik meiner Gedanken. Doch es fühlt sich um ein Vielfaches echter und reeller an, als meine Zeit, gemessen an zwei Zahnrädern, ablaufen zu sehen.
its always darkest before the dawn.