Die meisten Menschen heutzutage stören mich aufgrund gewisser Eigenschaften, zum Beispiel mangelnder Disziplin. Was ist so schwer daran geworden, sich selbst zu disziplinieren und wieso wird ständig der anscheinend so allgemeine Hedonismus als Ausrede benutzt, um ein Übermaß von stimmungsbasierten Entscheidungen zu rechtfertigen? Die Realität lässt meiner Beobachtung nach wenig Wunschdenken zu, vieles muss, wie ein unsichtbarer Zwang und weil es sich auf bestimmte Weise im Erwachsenenalter gehört. Ebenfalls soll vieles, da das den Anforderungen entspricht und schon ewige Zeit Handhabe ist. Irgendwo haben diese Gepflogenheiten sicher ihre Daseinsberechtigungen. Darf man sich als Mensch dann anmaßen zu sagen, ich möchte aber dies und jenes und so verhalte ich mich nun auch? Vielen geht es vorrangig darum, nach Befinden und Empfindungen zu agieren und das bringt moralische Werte tatsächlich öfter ins Wanken, als dass es sie stärkt. Lust und Laune wirken sich selbstverständlich enorm auf die Art und Weise der sozialen Kontaktführung aus, so auch auf das (mögliche Nicht-) Eingliedern (Wollen) in gesellschaftliche Strukturen und das könnte langfristig zu einem Problem werden. Welche Qualitäten geraten damit ins Abseits? Verbindlichkeit schaffen, oder alles, was dazu führt. Sich bekennen, Stand halt, generelle Verlässlichkeit in Absprachen und Aussagen, damit einhergehend Vertrauen. Ebenso die Fähigkeit sich zu konfrontieren, kritisieren zu lassen, denn unangenehmen Situationen oder Gesprächen kann auch einfach aus dem Weg gegangen werden, wenn man sich gerade „nicht danach fühlt“. Meiner Meinung nach spielt auch Verantwortlichkeit eine tragende Rolle, wobei das englische Wort accountability mehr ins Schwarze zu treffen scheint. Manchmal glaube ich, den Leuten müssen die Argumente ausgehen oder die Anlässe, sich erklären zu wollen. Vielleicht aber weil ich eben nicht so bin, ich finde es wichtig sich zu begründen, vor allem, wenn man das Bedürfnis hat verstanden zu werden. Sich seiner Verantwortung zu entziehen finde ich dagegen ziemlich doof, dies ist häufig gepaart mit einem Mangel an Bewusst darüber, was man unter Umständen jemand anderem schuldig sein könnte. Diese „Eventualität“ außen vor zu lassen, nennt sich im übrigen Egoismus.
Den zweiten Part nenne ich die Überbetonung der eigenen Erlebenswelt. Was ich nicht leiden kann ist der zunehmende Konsum von emotionalen Gütern wie Liebe, Aufmerksamkeit und sonstigen Zuwendungen. Ob das ein reines Interesse der heutigen Zeit abbildet, vermag ich nicht zu sagen, aber er häuft sich augenscheinlich. Die lasterhafte menschliche „Ich will aber mehr“ - Kultur untergräbt viele ausbaufähige Chancen und dass sich diese durch social media verschlimmert hat, ist allseits bekannt. In alle Richtungen breitet sie sich aus, bis sie letzten Endes unsere Gehirne und Herzen befallen hat, kaum eines verschont blieb. Wer wenig von etwas hat oder hatte, der ist wenig beeindruckt von mehr. Wer ständig mehr erprobt, ist seltener von weniger gesättigt. Natürlich möchte man das Beste für sich herausschlagen, aber wann sind wir wieder zufrieden mit dem, was uns im hier und jetzt erfüllt? Gibt es das überhaupt noch? Zum Glück lautet meine Antwort ja und das ist ein nachweislich schönes Gefühl. Ich mag das, das Festhalten an dem, was einem Freude brachte, egal wann und in welchem Ausmaß. Bereichernd sind die Hobbys gewesen, denen man nachgegangen ist, oder die Interessen, die entstanden. Natürlich auch an den Personen von früher oder in der Gegenwart. Als ich klein war, hab ich mir immer genau einen Menschen für mich gewünscht, der mich stetig begleiten soll. Nicht präzisiert, ob es unbedingt der Partner ist oder schlicht eine Freundin. Und jetzt? Wäre ich mit genau dem selben zufrieden. Mehr Kontakte machen nicht proportional glücklicher, sie erhöhen allenfalls die Chance auf Enttäuschungen. Weniger Kontakte machen nicht weniger glücklich, nach meiner Erfahrung ist weniger manchmal wirklich mehr. Bescheidenheit ist sowieso ein unterschätztes Gut der Neuzeit, oder auch Zurückhaltung und Stille. Bei sich zu bleiben, bedeutet nicht nur an eigenen Bedürfnissen orientiert auszuarten, sondern sogar öfters das genaue Gegenteil.
Ich bin für Wandel und Entwicklung, das möchte ich klarstellen, insbesondere, wenn wir von intrinsischen Antrieben sprechen zu eigenen Standards hinzuarbeiten. Aber insgesamt bin ich ein bisschen mehr noch für das Aufrechterhalten von Dingen, die wir in der Vergangenheit gewählt haben oder zumindest für uns annehmen konnten, selbst wenn sich Gefühle in der retrospektiven Betrachtung verändern dürfen. Eigenwillig erscheint mir die Gesellschaft, die viel Platz für vergängliche Eindrücke einräumt und wenig oder gar nicht beharrlich wirklich nachvollziehbare Gründe und Prämissen ersucht. Leichtfertigkeit und lapidare Haltungen sind der Kern vieler Missverständnisse und ich denke, es ist an der Zeit in dieser Hinsicht wieder höhere Ansprüche an ein Miteinander und sich selbst zu stellen. Was man will und was man letzten Endes braucht für ein gutes Verhältnis von Ich und Außenwelt sind sicherlich zwei verschiedene Dinge. Aber das kommt auch von jemanden, der bekanntlich eine Handvoll Freunde hat und seit 14 Jahren in ein und den selben Blog einträgt. Mich beeindruckt so leicht kein Überangebot dieser Welt, außer vielleicht das des Fernsehprogramms der Arte-Mediathek.