Ich unterbreche mein eigentliches Vorhaben, sämtliche Schnulzen und Tragödien hier loszuwerden, für eine Eilmeldung, die mich erreichte. In der unscheinbaren Nachbarschaft, einem Gewerbegrundstück mit Fabrikhalle, vermutet man ein Lager irgendeiner Firma oder ähnliches, so ist es auch jahrelang gewesen. Doch, immer, wenn ich vorbeigehe, kam mir der Ort komisch und unheimlich vor, außerdem dachte ich hin und wieder den Geruch von Gras zu vernehmen. Heute beim Mittagessen, lüftete mein Cousin das Geheimnis: Pornos. Fotoshootings. Party-Exzesse. Und das in meiner Nachbarschaft? Ein klarer Fall für mich! Mich hielt nichts mehr, ich sprang vom Tisch auf und rannte nach Hause. Immerhin wird wohl am Karfreitag niemand arbeiten? Ich beschloss mich für eine Journalstin auszugeben (ist doch fast das selbe, wie hier) und schminkte mich dementsprechend, zog mich schicker an. Es konnte losgehen. Leider hat es geregnet, doch ich wollte keine Sekunde mehr abwarten, schnappte mir einen Schirm und ab. Ich näherte mich dem "sündigen" Grundstück durch den Hintereingang, einer Hofeinfahrt. Als Kind war ich öfters nach der Schule hier entlanggeschlichen, irgendwie fühlte ich mich wie damals. Das Gelände war unscheinbar, Lageräume reihten sich aneinander, kein Indiz für ein horizontales Gewerbe irgendeiner Art. Doch plötzlich fiel mir ein herumliegender Müllsack auf, den ich mir sofort aus der Nähe ansah. Ein Haufen leerer Schnappsflaschen, hier war ich jedenfalls fast richtig. Nur ein Zaun trennte diesen Ort, von einem ebenso auschauende Industrie"hof". Ich wusste sofort, dass ich nach nebenan gelangen musste, also suchte ich verzweifelt einen Weg, mich von der anderen Seite zu nähern. Ganz unbeachtet blieb die Aktion natürlich nicht, drei Anwohner beobachteten mich aus verschiedenen Fenstern, was mich jedoch nicht von meinem Vorhaben abhalten konnte.
Und tatsächlich, durch einen schmalen Gang, an einem Transporter vorbei, durch ein Tor, das glücklicherweise offenstand - ich war angekommen. Vor mir lag ein offenes, großes Grundstück, an dessen Rand sich ein längliches, heruntergekommenes Gebäude befand. Vorsichtig sah ich mich um, den Angriff eines wilden Wachhundes wollte ich mir ersparen. Hinter der Eingangstür erkannte ich schemenhaft Getränkekisten, irgendwas war im Gange! Neugierig, wie ich bin, legte ich meinen Schirm ab und drückte zaghaft den Griff herunter. - Tatsächlich, nicht abgeschlossen. Der Raum, der vor mir lag, war alles andere als auffällig, ein gewöhnliches Lager, auf den ersten Blick. Ich ging durch einen dunklen Vorgang, in den nächsten Teil des Hauses, es wurde interessant. Zwei Autos standen darin, augenscheinlich hatten sie noch nie eine Straße gesehen, ihre Größe war auch alles andere als normal. Wie überdimensionale Miniaturmodelle. Was hier wohl gedreht wird? Im nächsten Zimmer ein nagelneues Motorrad, ich vermutete es handelt sich um Fotoshootings, die sehr sicher auch hier abgehalten werden. Schon stand ich im letzten Abteil, eine kleine Tür teilte den Raum. Im "Flur" ein Wäschekorb, in der Ecke eine kleine Couch, leere Bierflaschen. Es roch nach Alkohol und Zigaretten, aber auf einmal bekam ich den Schreck meines Lebens. Schritte kamen aus dem Separee, jemand war da! Für einen Moment überlegte ich, ob es wohl eine gute Idee wäre, mich als Zeitungsredakteurin auszugeben, einerseits gab es keine Klingel, oder Telefonnummer, um meinen Besuch anzukündigen. Andererseits nennt man den Straftatbestand wohl Hausfriendensbruch.
I c h r a n n t e l o s - den ganzen Weg aus dem Gebäude heraus, ließ dabei die Tür offen, vergaß meinen Schirm und wäre beinahe in der Nässe ausgerutscht. Ohne zu wissen, ob mir tatsächlich die Person gefolgt war. Ich bin zu jung fürs Gefängnis. Zum Glück wohne ich quasi um die Ecke, aber ganz schön nervenaufreibend ist die Geschichte schon gewesen. Trotzdem, es kribbelt mir in den Fingern, zu einem anderen Zeitpunkt zurückzukehren und inflagranti den Geschehenissen auf die Spur zu kommen.